Tempelhüter, sein Denkmal steht in Verden. Seine Nachkommen überall in der Welt – auch auf einem Gnadenhof im Landkreis Diepholz. Eine Liebeserklärung an ein Pferd und seine Ahnen.
In seinen Adern fließt das Blut des Tempelhüter. Gemeint ist der Trakehner Grandioso, der auf der Ballermann Ranch (https://www.ballermann-ranch.com) im niedersächsischen Blockwinkel von allen liebevoll nur „Gustl“ gerufen wird und seit über einem Jahrzehnt an der Seite seines Freundes Fritz ein glückliches Pferdeleben inmitten einer großen, von Gut Aiderbichl (https://www.gut-aiderbichl.com) geretteten Pferdeherde, führt. Ein Gnadenbrotpferd mit einer Abstammung, die eigentlich jeden Pferdefreund ehrfürchtig aufhorchen lassen sollte. Denn es ist die Geschichte hinter Gustls Geschichte, in der Tempelhüter, Dampfross und Pythagoras die Protagonisten sind. Berühmte Hengste und Hauptbeschäler von Trakehnen. Allesamt Symbole ihrer Rasse aus jenem sagenumwobenen Land der Pferde, welches sich über endlose Ebenen auf über 6.000 ha erstreckte – weit im Osten. Am 16. Oktober 1944 sollte es untergehen. An jenem schicksalhaften Abend im Oktober 1944 kamen – wie an jedem Abend seit über zwei Jahrhunderten – an die 25.000 Trakehner Mutterstuten von den Weiden zu ihren Vorwerken zurück. Ein letztes Mal sammelten sie sich in den Winterausläufen. Dann fegte die Kriegsfurie sie hinweg. Trakehnen ging in Flammen auf. Ostpreußen, das Land der Pferde, war verloren – für immer. Von 30.000 Trakehnern überlebten am Ende nur 700 Stuten und einige Hengste die Flucht aus ihrer brennenden Heimat. Sie gaben ihr Leben, um das unzähliger Menschen zu retten.
Und doch lebt Trakehnen im Blut der Nachkommen seiner legendären Pferde weiter, überall in der Welt. So auch in dem Trakehner Gustl von der Gut Aiderbichl Ballermann Ranch, der im Jahr 2004 – genau 100 Jahre nach seinem berühmten Urahn Tempelhüter – in Sachsen-Anhalt das Licht der Welt erblickte. Wie Tempelhüter, der mit so schiefen Vorderbeinen geboren wurde, dass zunächst von einer Aufzucht des Hengstfohlen abgesehen werden sollte, hatte Gustl ebenfalls Probleme mit den Beinen. Anders als Tempelhüter, hatte Gustl jedoch in seinen ersten fünf Lebensjahren keinen Führsprecher. So musste der stolze Trakehner Schmerzen, Schläge und Leid erdulden, bis dann endlich – nach unzähligen Besitzerwechseln – die Engelhardts und Gut Aiderbichl in sein Leben traten. Unter hohem medizinischen Aufwand und noch viel mehr Zeit und Geduld, gelang es Pferdemama Annette Engelhardt „ihrem“ Trakehner endlich doch ein glückliches Leben zu schenken. „Ohne unseren Großen Fritz, dem Herdenchef, wäre es mir allerdings nicht gelungen“, klärt Annette Engelhardt auf. „Zu sehr hatte Gustl seinen Glauben und sein Vertrauen in die Menschen verloren; zu schlimm hatten sie ihm mitgespielt.“
Es ist Teil der Philosophie von Gut Aiderbichl und der Engelhardts, dem Leben immer eine Chance zu geben. Nicht aufzugeben, so lange noch Hoffnung besteht. Wie auch Tempelhüter es seinem „Retter“, dem Gestütsveterinär Paul Matthias, dankte, in dem er der berühmteste und legendärste Vertreter seiner Rasse und des Landes Ostpreußen wurde, dankte es Gustl „seinen“ Engelhardts. Wenn auch auf einem Gnadenhof beheimatet, so ist Gustl doch schon vom Weitem als ein stolzer Trakehner zu erkennen, der wieder treu zu „seinen“ Menschen steht und seinen festen Platz gefunden hat. Dies gilt auch für seinen berühmten Urahn. Tempelhüters Denkmal steht in Niedersachsens Pferdehauptstadt Verden, vor dem Pferdemuseum. Ein Monument, dass uns ermahnt, nicht zu vergessen. Zu erinnern an eine Zeit, in der lebende Kunstwerke der Pferdezucht zu tausenden über die unendlichen Weiten Ostpreußens zogen. Der Name Tempelhüter ist seither untrennbar verbunden mit dem erloschenen Glanz des Gestüts Trakehnen, dessen Pferde voll Kraft und Adel den Brand der Elchschaufel tragen (Quellenangabe: Hans Joachim Köhler, Tempelhüter, 1995, Franckh-Kosmos Verlag).
Und wahrlich, schaut man in Gustls Augen, dort, ganz hinten, wird sie noch immer sichtbar – die Sehnsucht an das längst verlorene Paradies der Pferde. Trakehnen.
Exkurs:
TEMPELHÜTER, Trak., geb. 20.12.1904 von Perfectionist xx u. Teichrose v. Jenissei – gest. 16.01.1933,
von 1909 bis 1915 Landbeschäler in Braunsberg, ab 1916 Hauptbeschäler in Trakehnen. Hier deckte er bis 1931 495 Stuten, die 333 Fohlen brachten, hierunter 65 Beschäler und 59 Trakehner-Mutterstuten sowie 115 Auktionspferde.
Wegen seiner harmonischen Vereinigung von Kraft und Eleganz galt Tempelhüter als das ideale Pferd seiner Zeit. Noch zu Lebzeiten wurde Tempelhüter in Bronze gegossen und 1932 in Trakehnen aufgestellt. Kopien des Tempelhüter-Denkmals stehen heute in Verden an der Aller am Pferdemuseum sowie vor dem ehemaligen Landstallmeisterhaus Trakehnens im ehemaligen Ostpreußen, heute russische Enklave Kaliningrad. Das Original des lebensgroßen Tempelhüter in Bronze steht im Landwirtschaftsmuseum in Moskau. Eine russische Kriegsbeute, deren Herausgabe nicht verhandelbar ist.
Tempelhüter war Großvater des ebenfalls legendären PYTHAGORAS, geb. 1927 aus Dampfroß und der Tempelhüter-Tochter Pechmarie. Pythagoras galt als der wohl beste Trakehner aller Zeiten; verschollen 1945.
… und was hat das alles mit dem HANNOVERANER zu tun?
Eine Geschichte über Trakehner-Pferde zu erzählen, ohne dabei den Hannoveraner zu erwähnen, wäre unverzeihlich. Auch wenn Trakehnen verloren ist, so waren es Trakehner, die den Untergang der Hannoveraner-Pferderasse verhinderten. Nach den Napoleonischen Kriegen war die Rasse des Hannoveraner Anfang des 19. Jahrhundert beinahe ausgelöscht. Es gab nur noch 30 Hengste. Zur Stabilisierung wurden weitere Vollblüter eingekreuzt. Mit Trakehnern konnten man den Zuchttyp letztendlich erhalten. Erinnert sei dabei in moderner Zeit an den Trakehner ABGLANZ, der im Wirken mit seinem Sohn ABSATZ die Hannoveraner-Zucht in den 60er und 70er Jahren revolutionierte. So wirkt das Blut des Tempelhüter auch im Hannoveraner und bringt weiterhin Pferde mit Weltgeltung hervor.
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